Was kommt nach der Katastrophe?

Interview mit MdB Sebastian Hartmann
Sebastian Hartmann ist Bundestagsabgeordneter der SPD für den Rhein-Sieg-Kreis und Experte der SPD-Fraktion für Zivil- und Katastrophenschutz. In einem Gespräch äußert er sich zu den Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe.

Herr Hartmann, was sind die wichtigsten Forderungen?
Das verheerende Ausmaß dieser Jahrhundertkatastrophe zeigt uns einmal mehr: Wir müssen unseren Bevölkerungsschutz verbessern. Wir müssen die Kommunikation zwischen Bund und Ländern verbessern und die wichtige Arbeit des Ehrenamts stärken. Auch die Warnwege und Informationen für die Bevölkerung müssen dringend verbessert werden. Wir müssen das Katastrophen-schutzsystem auf den Prüfstand stellen und modernisieren.


Wie steht es mit den Warnsystemen?
Es wurde in der Vergangenheit definitiv viel zu wenig in Warnwege investiert. So sind teilweise Sirenenanlagen abgebaut worden. Auch das Bewusstsein der Bevölkerung für Katastrophensituationen wurde nicht genug gestärkt: Was ist Eigensicherung? Welche Wege der Information gibt es? Wir haben zum Beispiel die Nina-Warn-App, die aber leider nicht ausreichend verbreitet ist. Es ist also auf der einen Seite der Kommunikationsweg in der Krise selbst, auf der anderen Seite die Bewusstseinsschärfung, dass auch wir in Mitteleuropa durch solche katastrophalen Lagen schwer beeinträchtigt werden können.

 

Hat das Zusammenspiel der Behörden funktioniert?
Es ist noch zu früh, um das abschließend zu beurteilen – wenn es auch erste Hinweise auf nicht richtig funktionierende Kommunikationswege gibt, auch wegen des Zusammenbruchs der Stromnetze. Dadurch konnten Einsatzkräfte teilweise nicht rechtzeitig vor Ort sein. Auch sie brauchen schnelle Informationswege, um gezielt helfen zu können. Denn wir dürfen nie vergessen, dass dabei Menschen ihr Leben riskieren, um andere Menschen zu retten. Sie haben einen Anspruch darauf, dass solche Krisenorganisationen optimal laufen. Bei dieser Hochwasser-Katastrophe haben Einsatzkräfte leider auch ihr Leben verloren. Wir trauern um die Menschen, die dabei waren, anderen zu helfen.


Müssen Kompetenzen anders geregelt werden?
Im Verteidigungsfall ist der Bund zuständig für den Zivilschutz. Die Länder sind in Friedenszeiten für den Katastrophenschutz zuständig. Diese Trennung ist aus meiner Sicht überkommen. Denn wir haben Lagen, die schnell dazu führen können, dass unser Gemeinwesen schwer unter Druck steht, ob durch Cyberangriffe, das Lahmlegen der Wasserversorgung oder eine bundesweite Pandemie. Deswegen müssen wir diese Kompetenzen anders und besser zusammenlegen. Wir sollten auch über eine Verfassungsänderung nachdenken, damit der Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern auch für Katastrophen zuständig sein kann.


Muss der Hochwasserschutz in unserer Region verbessert werden?
Man muss der Natur und ihren Gewässern Räume geben. Denn Hochwasser sind nicht ungewöhnlich, nur die Auswirkungen verändern sich. In bestimmten Regionen gab es einen enormen Bevölkerungszuwachs. In Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis gibt es seit 1990 einen Zuzug von 140.000 neuen Einwohnerinnen und Einwohner. Dadurch sind teilweise Flächen besiedelt worden, die früher nicht in Betracht gekommen sind. Deswegen müssen die Kommunen als Verantwortliche für Flächennutzungspläne vor dem Hintergrund von starken Regenfällen und Hochwassern Flächen anders betrachten.